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Komplexität: Nur was für Frauen! Wait …

Die Ergebnisse der Hirnforschung faszinieren mich, seitdem ich in meiner Uni-WG in Sachsen mit den Büchern von Dr. Hans Georg Häusel in Berührung kam. Die Rolle von Emotionen bei Kaufentscheidungen, die Verortung von Marken in der Limbic Map, Ableitungen für Zielgruppensegmentierungen haben ihren Einzug in den Beratungsalltag bei Clue One gefunden. Seit den 2000ern hat sich das Feld der Hirnforschung deutlich ausgeweitet und bringt uns als Menschen auf völlig neue Erkenntnisebenen. Die für mich spannendsten Entwicklungen sind gerade:

  • Fortschritte in der Neurobildgebung: Verbesserte bildgebende Verfahren wie fMRT (funktionelle Magnetresonanztomographie) ermöglichen es Forschern, die Aktivität des Gehirns detaillierter zu beobachten und zu verstehen, wie verschiedene Gehirnregionen interagieren.
  • Neurowissenschaft und Künstliche Intelligenz (KI): Es gibt zunehmend Forschungen, die sich mit der Schnittstelle zwischen Neurowissenschaften und KI beschäftigen. Diese Arbeiten konzentrieren sich darauf, wie das menschliche Gehirn Probleme löst und Entscheidungen trifft, und wie diese Erkenntnisse zur Verbesserung von KI-Systemen genutzt werden können.
  • Neuroplastizität: Die Erkenntnis, dass das Gehirn sich auch im Erwachsenenalter noch verändern und an neue Erfahrungen anpassen kann, ist ein Schlüsselfaktor für Therapien bei Gehirnverletzungen und neurologischen Erkrankungen.
  • Verbindung von Gehirn und Maschine: Forschungen im Bereich der Brain-Computer-Interfaces (BCI) haben gezeigt, dass es möglich ist, Gedanken direkt in Befehle für Computer oder Prothesen umzusetzen. Diese Technologie hat das Potenzial, das Leben von Menschen mit körperlichen Behinderungen erheblich zu verbessern.
  • Erforschung von Bewusstsein und Kognition: Wissenschaftler arbeiten daran, ein besseres Verständnis für das Bewusstsein und kognitive Prozesse zu entwickeln. Dies schließt Untersuchungen darüber ein, wie das Gehirn Informationen verarbeitet, speichert und abruft.

Mich treibt aber gerade eine Frage um – die direkt das Potenzial hat, in eine völlig unproduktive Genderdebatte zu führen, auf die ich hier sehr gerne verzichte. Fakt ist: Wir begleiten Führungskräfte und Top-Entscheider in Marketing und Vertrieb, die oft vor komplexen Fragestellungen stehen. Und dabei interessiert mich vor allem: Wie können wir diesen Job noch besser machen und kann uns dabei die Hirnforschung helfen? Ganz konkret: Gibt es laut der Forschung einen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen und was heißt das für das Management von Komplexität?

Die aktuelle Forschung im Bereich der Neurowissenschaften hat einige interessante Ergebnisse hervorgebracht, die auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der kortikalen Komplexität hinweisen. Eine Studie, veröffentlicht in „Nature Neuroscience“, hat festgestellt, dass die Gehirne von Frauen tendenziell eine größere Gyrifikation (Faltung) in den frontalen und parietalen Regionen aufweisen als die von Männern. Dies könnte darauf hindeuten, dass weibliche Gehirne eine erhöhte kortikale Oberfläche besitzen, was wiederum Auswirkungen auf die kognitive Verarbeitung und den Umgang mit Komplexität haben könnte.

Mir ist klar, dass die Interpretation solcher Befunde vorsichtig erfolgen muss. Während strukturelle Unterschiede existieren können, ist die direkte Korrelation dieser Unterschiede mit spezifischen kognitiven Fähigkeiten, wie dem Umgang mit Komplexität, nicht vollständig geklärt. Geschlechtsspezifische Unterschiede im Gehirn sind ein komplexes Forschungsfeld, das von zahlreichen biologischen, sozialen und umweltbedingten Faktoren beeinflusst wird. Daher sollten solche Studienergebnisse im Kontext eines breiteren Verständnisses der menschlichen Gehirnfunktion und -entwicklung betrachtet werden.

In der Konsequenz heißt das: Ich habe zum Glück schon wieder mehr Fragen als Antworten. Wir tun also mal so, als hätte diese Forschung final recht und Frauengehirne könnten in der Tat tendenziell besser mit Komplexität umgehen. Hat das Konsequenzen für die Struktur von Teams, von Unternehmen? Müssen sich Arbeitsweisen anpassen? Was machen dann bloß die ganzen Männer, wo doch so viel komplex geworden ist? Ich stehe noch etwas demütig vor solchen Fragen – aber Kollegin ChatGPT traut sich ja durchaus mal Ableitungen zu. Also zitiere und kommentiere ich mal die Implikationen, die der Bot für das Management in Unternehmen sieht:

„Diversität in Führungspositionen: Die Förderung von Diversität in Führungspositionen, einschließlich einer ausgewogenen Repräsentation von Frauen, könnte dazu beitragen, einen vielfältigeren Ansatz bei der Problemlösung und Entscheidungsfindung in komplexen Situationen zu gewährleisten. Diversität in Teams kann zu innovativeren Lösungen und einer besseren Risikobewertung führen.“

Na, what a f…ing surprise. Wer jemals den Unterschied von Kreativitätsworkshops in einer reinen Männerrunde mit divers aufgestellten Teams erlebt, wird hier hoffentlich keine Überraschung finden.

„Kollaborative Arbeitskultur: Eine Arbeitskultur, die Teamarbeit und Zusammenarbeit betont, könnte von den möglichen Stärken von Frauen im Umgang mit komplexen Situationen profitieren. Die Einbeziehung verschiedener Perspektiven und Herangehensweisen kann die Fähigkeit eines Teams verbessern, komplexe Probleme zu lösen.“

Ein weiterer No-Brainer.

„Anpassung der Management-Strategien: Wenn Frauen tatsächlich eine erhöhte Fähigkeit im Umgang mit Komplexität haben, könnten bestimmte Management-Strategien angepasst werden, um diese Stärken zu nutzen. Das könnte beispielsweise bedeuten, Frauen stärker in die Planung und Ausführung von komplexen Projekten einzubeziehen.“

Nochmal: ein weiterer No-Brainer.

„Personalentwicklung und Schulungen: Unternehmen könnten spezifische Schulungsprogramme entwickeln, die auf die Förderung von Fähigkeiten im Umgang mit Komplexität abzielen. Solche Programme könnten allen Mitarbeitern, unabhängig vom Geschlecht, zugutekommen.“

Aha! Danke, ChatGPT, für diese Inspiration. Ein Blog-Post zum Thema „Kann man Komplexitätsmanagement lernen“ ist eingeplant. Spoiler: Man kann!

Mein Fazit: So faszinierend das Themengebiet ist – für unsere Praxis reicht die mir bekannte Studienlage der Hirnforschung noch nicht aus. Ein rein evidenzbasiertes Vorgehen ist vermutlich deutlich zielführender als das Vertrauen auf erste Thesen zu vermeintlichen Unterschieden weiblicher und männlicher Gehirne. Falls es so etwas überhaupt gibt. Wer kann im Unternehmen Komplexität gut managen? Woran erkenne ich das? Wie kann dieses Wissen und diese Fähigkeit auf weitere Personen übertragen werden? Dafür gibt es im Alltag schon erprobte Ansätze und Methoden. Vermutlich aber nur so lange, bis die Forschung uns zeigt: Alles Quatsch – menschliche Gehirne funktionieren im Business-Kontext genauso wie die von Karpfen. Oder so ähnlich. Wir bleiben neugierig und vertrauen so lange weiter auf Herrn Dr. Häusel und die Kraft der Vielfalt.